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Essen lernen mit Kleinkindern


Neulich saßen wir alle vier am Mittagstisch. Mein Mann hatte Spaghetti mit Tomatensoße und Zucchini gekocht. Ich hatte alles so angerichtet, wie die Kinder es mögen: Einen großen Haufen Nudeln mit ein bisschen Soße und nur wenigen klein geschnittenen Stückchen Gemüse. Mein Mann und mein großer Sohn (5 Jahre alt) riefen beide wie aus einem Munde „Lecker!“ und begannen sofort zu essen. Mein kleiner Sohn (gerade 2 Jahre alt geworden) sah seinen Kinderteller und fing an zu brüllen: „Bäähhh! Da Grünes drin!“ Demonstrativ schob er den Teller von sich weg. Ich schob ihn langsam wieder zurück und versuchte ihm dabei zu erklären, dass er nur mal probieren solle. Seinem Bruder würden die Zucchini auch schmecken. Er sah sich die Spaghetti und seinen Bruder nochmal genau an und erwiderte dann: „Iiihhh, ess das net!“ Also pickte ich die Zucchinistückchen heraus, wobei ich den kritisierenden Blick meines Mannes im Nacken spürte. Aber mein 2-jähriger war immer noch nicht zufrieden: „Bäähhh, will ohne Soße!“ Ich antwortete ihm, dass er Nudeln ohne Soße haben könne, wenn er einmal welche mit Soße probiert habe. Daraufhin rastete er total aus, fing an zu schreien und versetzte seinem Kinderteller einen Stoß, so dass dieser auf den Boden fiel und die Tomatensoße sich über den ganzen Boden verteilte. Da mischte sich mein älterer Sohn ein: „Boaaahh, nie kann sich der Kleine benehmen und ständig muss er so ein Geschrei machen. Der nervt einfach so!“ Insgeheim dachte ich mir das gleiche, denn ich hatte selbst noch keine einzige Gabel gegessen und mein Magen knurrte immer lauter. Also gab ich nach und holte einen Teller mit Nudeln ohne Soße. Sofort fing mein Kleiner an sich eine Nudel nach der anderen in den Mund zu stopfen. Wieder spürte ich die verächtliche Blicke meines Mannes. Schon wieder hatte ich nachgegeben. Nach zehn Minuten, in denen ich mir selbst die Spaghetti reinstopfte, um endlich satt zu werden, schaute ich zu meinem kleinen Sohn rüber. Ich sah wie er genüsslich den Rest Nudeln in der Hand zerquetschte und diese überall (nur nicht auf seinem Teller) verteilte. Daraufhin griff er zu seinen Trinkbecher, nahm einen großen Schluck und spuckte diesen dann stolz wieder in den Becher zurück. Natürlich hatte er dabei ein riesiges Grinsen im Gesicht und schaute provozierend zu mir rüber.

Warum reagieren Kleinkinder so? Wieso sind sie mit vielen Nahrungsmitteln so mäkelig und mögen oft kein Gemüse? Ab wann sind Kinder in der Lage sich an Tischregeln zu halten und welche machen wirklich Sinn? Wenn euch das interessiert, dann lest jetzt weiter:





Mein Kind will nicht essen

In der Kleinkindzeit (2. bis 3. Lebensjahr) ist es ganz normal, dass Kinder nicht so essen wollen, wie wir Eltern uns das wünschen. Oft lehnen sie neue Lebensmittel sofort ab, ohne davon zu probieren.

Kind will nicht essen

Dies nennt man Neophobie und ist die Angst davor, neue Nahrungsmittel zu sich zu nehmen.

Dieses Verhalten macht bei Kleinkindern sogar durchaus Sinn, weil es sie davor schützt Unbekanntes (und vielleicht auch Giftiges) in den Mund zu stecken. Aber gerade jetzt, wo wir Eltern doch wollen, dass das Kind die gesunden Zucchini wenigstens mal probiert, können wir die Neophobie gar nicht gebrauchen! Was also tun? Es hilft auch nichts dem „geschleckigen“ Kind das Gemüse aufzuzwingen. Bitte zwinge nie dein Kind dazu etwas zu essen was es nicht möchte oder stopfe ihm etwas in den Mund! Das verstößt gegen die Grundrechte eines jeden Menschen.

Studien haben ergeben, dass Nahrungsmittel bis zu 14-mal probiert werden müssen, bis sie einem Kind schmecken. Die Wahrscheinlichkeit des Verzehrs kann erhöht werden, wenn es immer wieder auf unterschiedliche Weise (angebraten, gekocht, roh, klein geschnitten, vermengt mit anderen leckeren Lebensmitteln oder getrennt von ihnen) angeboten wird. Oder wenn am Tisch Vorbilder (ein freundlicher Erwachsener, Geschwister oder andere Kitakinder) sind, die das Nahrungsmittel mit Genuss zu sich nehmen.

Es gibt auch bestimmte Entwicklungsphasen von Kleinkindern, bei denen sie bestimmte Lebensmittel bevorzugen oder mehr davon essen und andere, sonst sehr beliebte, eher weniger. Manchmal werden Proteine (Milch, Käse, Wurst, Eier…) vorgezogen, manchmal beispielsweise Kohlenhydrate (Nudeln, Reis, Kartoffeln…).

Man sollte sein Kind nie zwingen den Teller aufzuessen – das stört das natürliche Sättigungsgefühl. Es isst immer genauso viel wie sein Körper gerade braucht. Vor einem Entwicklungsschub können also große Mengen verzehrt werden und danach reichen dem Kind manchmal auch zwei Bissen Brot. Aber wir Eltern können es darauf hinweisen, dass es sich nur soviel auf den Teller laden soll, wie es wirklich essen kann. Wenn ältere Kinder sich trotzdem zu viel aufladen, kann man die Essensreste bei der nächsten Mahlzeit wieder auftischen.


Mein Kind trotzt beim Essen

Schon im Kleinkindalter wollen Kinder bei der Essenszubereitung eingebunden werden und sich aktiv beteiligen können. Gelingt dies nicht, kommt es oft zu Frustration und Ärger, was dazu führt, dass das Kind Trotzverhalten zeigt, spätestens wenn die Mahlzeit auf dem Tisch steht und es essen soll. Kleinkinder können bereits bei der Zubereitung helfen, indem sie Bestandteile zusammenschütten oder mischen. Sie können mit den Tisch decken und mit Kinderbesteck (Gabel und Löffel) selbst essen. Sie lernen aus einem kleinen Becher oder Glas selbstständig zu trinken und sich mit einem kleinen Krug etwas einzuschenken. Kinder lernen Essen am besten durch Selbermachen und Nachahmen!


Mein Kind spielt mit dem Essen

Kleinkinder ab ca. einem Jahr nähern sich spielerisch der Beikost an. Dabei geht es weg von der Muttermilch, Pulvernahrung oder vom Brei und hin zu festen Lebensmitteln.

Kind spielt mit Essen

Sie lernen diese am besten neugierig im Spiel kennen: sie riechen daran, befühlen es, testen ihre Konsistenz mit den Händen und dann erst mit dem Mund. Sie schmecken noch viel intensiver die einzelnen Geschmacksrichtungen als wir Erwachsenen. Auch wenn es uns Eltern viele Nerven kostet sollten wir dieses spielerische Essen unbedingt zulassen.

Ab zwei Jahren können wir unsere Kinder darauf hinweisen, dass man nicht mit dem Essen spielt. Allerdings dürfen wir da nicht zu viel erwarten, Kinder vergessen das in diesem Alter auch schnell mal wieder. Aber je öfter wir es wiederholen, desto höher wird die Wahrscheinlichkeit, dass sie sich irgendwann daran halten.

Ebenfalls ist es ab zwei Jahren nicht mehr angebracht, dass das Kind beim Essen Dinge auf den Boden wirft. Das machen Babys um die Schwerkraft zu testen, aber keine Kleinkinder mehr. Es ist eher wahrscheinlich, dass es keinen Hunger mehr hat, gelangweilt ist und daher anfängt „Quatsch“ zu machen. Da ist es wichtig auf die Signale des Kindes zu achten: Isst das Kind nicht weiter, spielt es mit dem Essen herum oder wirft Sachen auf den Boden, sollte die Mahlzeit beendet werden. Man kann noch einmal nachfragen, ob es noch etwas möchte und dann abräumen. Auf keinen Fall sollte man das Kleinkind so lange am Tisch sitzen lassen, bis alle aufgegessen haben. Dazu ist es noch nicht in der Lage.


Ab wann können sich Kinder an Tischregeln halten?

Ab ungefähr drei Jahren können Kinder Tischmanieren verstehen. Aber was genau ist denn da passiert? Das kann man entwicklungspsychologisch folgendermaßen erklären: Die Verinnerlichung von Normen und Werten (Sozialisation) finden in den ersten Lebensjahren fast ausschließlich in der Familie statt. In den ersten beiden Lebensjahren beziehen Babys bzw. Kleinkinder alles auf sich selbst und sehen sich im Zentrum der Welt. Sie sind also unfähig, sich in andere Menschen hineinzuversetzen oder deren Blickwinkel einzunehmen. In der Psychologie nennt man das den kindlichen Egozentrismus, welcher ab dem 2. und 3. Lebensalter immer weniger wird und die Kinder sich mehr und mehr nach außen und an anderen Menschen orientieren. Ab jetzt sind sie zunehmend in der Lage Verhalten von anderen auch nachzuahmen (psychologisch: Modellernen). Bezogen auf die Tischmanieren bedeutet dies, dass sich Kinder erst ab drei Jahren von anderen (beispielsweise von Geschwistern und er anderen Kitakindern) abschauen können, dass das Einhalten der Essensregeln Sinn machen kann, weil man dafür belohnt wird (durch Anerkennung/Lob von den Erwachsenen oder z.B. durch einen Nachtisch).

Kinder brauchen also Vorbilder zum Abschauen der Lebensmittelauswahl, der Essenstechniken und um zu erkennen, dass die Einhaltung von Tischregeln für sie sinnvoll sein kann. Somit haben wir Eltern auch Vorbildfunktion: Wenn ein Elternteil sagt, dass es kein Grünzeug mag, dann kann man vom Kind kaum erwarten, dass es Zucchini isst. Wenn Erwachsene während dem Essen die Zeitung lesen oder zwischendurch aufspringen, wenn das Telefon klingelt, brauchen wir uns nicht wundern, wenn das auch unsere Kinder tun.


Ebenfalls ist es wichtig, dass wir Eltern die Tischregeln klar formulieren und ihre Einhaltung konsequent und geduldig einfordern. Beispiele hierfür können sein:

  • Vor und nach dem Essen Hände waschen oder abwischen

  • Mit dem Essen warten bis alle am Tisch etwas zu Essen haben

  • Nicht mit dem Essen spielen oder unangenehme Sachen beim Essen machen (matschen, spucken, schmatzen…)

  • Keine Spielsachen oder andere Medien (Bücher, Musik oder Fernsehen) am Tisch

  • Keine Schimpfwörter benutzen und „bitte“ und „danke“ sagen

  • Fragen bevor man vom Tisch aufsteht. Allerdings: Wenn die Erwachsenen länger essen und sich unterhalten wollen, braucht das Kind nicht sitzen bleiben, wenn es fertig mit dem Essen ist. Es kann spielen, sollte die Erwachsenen aber nicht stören.

Bei der Nahrungsaufnahme lernen Kinder sehr viel: Der Geschmack wird ausgebildet, die Feinmotorik verbessert sich beim Umgang mit Löffel und Gabel und mit der Zeit lernen sie Tischregeln. Das Essen sollte aber vor allem eine sinnliche Erfahrung sein, die Freude bereitet. Daher finde ist es wichtig als Eltern immer wieder zu hinterfragen, welche Tischmanieren wirklich Sinn machen und welche nicht. Am Familientisch sollte ein fröhliches soziales Miteinander stattfinden und nicht nur auf die Einhaltung von sozialen Normen geachtet werden.


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